Das Smart Home nimmt allmählich Fahrt auf, und neben der reinen Hardware spielen auch zunehmend softwarebasierte Services eine Rolle. Diese erfordern vielfach eine Anbindung des smarten Zuhauses an eine Cloud. Was gilt es dabei zu beachten?
Wann stehen Sie morgens auf? Wann sind Sie normalerweise zu Hause? Sind Ihre Fenster verschlossen oder gekippt? Die Antworten dazu kennt Ihr Smart Home über Sensoren wie Bewegungsmelder oder Fensterkontakte.
So verrückt das im Moment klingen mag: In der Zukunft werden viele Nutzer diese Daten freiwillig »in die Cloud« übertragen und zustimmen, dass weitere Dienstleister wie Versicherer, Sicherheitsdienste oder Paketzusteller darauf zugreifen. Parallel dazu formieren sich auch cloudbasierte Plattformen im Umfeld von Büros oder öffentlichen Gebäuden – allerdings mit anderen Geschäftsmodellen im Hintergrund.
Trends im Bereich Smart Home
Derzeit zeichnen sich in der Gesellschaft folgende parallele Trends ab:
- Zum einen nimmt die Akzeptanz des »Smart Home« zu. Hersteller von Smart-Home-Komponenten bzw. Systemintegratoren verzeichnen eine zunehmende Nachfrage. Dabei hat der eigentliche Massenmarkt noch gar nicht begonnen. Eine Umfrage unter den Teilnehmern des Smart Home Kongress in Nürnberg hat ergeben, dass die meisten Teilnehmer den Durchbruch zum Massenmarkt im Jahr 2020 erwarten. Eine deutlich zunehmende Nachfrage steht also vor der Tür.
- Andererseits sind viele Nutzer nicht bereit, für Software oder Dienste zu bezahlen. Während es Nutzer verstehen, dass man für »anfassbare« Komponenten wie Controller/Gateway, Sensoren und Aktoren (also Taster, Präsenzmelder, Dimm- und Schaltaktoren, Stellventile für die Heizung etc.) Geld bezahlen muss, ist man in Bezug auf Apps, Dienste und Internetanbindung dahingehend verwöhnt, dass so etwas kostenlos ist. Nun bildet aber die Hardware nur das Fundament eines Smart Home, und die Software ist der eigentliche Kern. Und insbesondere die Software ist pflegeintensiv (Support, Weiterentwicklungen, Updates etc.) und erzeugt einen erheblichen Aufwand. Hierzu hieß es von einem Referenten auf dem erwähnten Kongress: Hardware ist der Revenue-Bringer; Software/Dienste sind Ressourcen-Killer.
Kundendaten – nützlich, aber auch gefährlich
Nun ändern sich im Internetzeitalter die Geschäftsmodelle. Die neue Währung heißt »Kundendaten«. Wenn ein Nutzer eines Smart Home bereit ist, Daten über sich bzw. sein Umfeld preis zu geben, gibt es zunehmend Dienstanbieter, die ihm dafür softwareseitige Funktionen kostenlos anbieten oder zumindest subventionieren.
Wenn ein Paketzusteller wüsste, wann jemand zu Hause ist, würde das helfen, Fehlfahrten zu vermeiden. Wenn Versicherer wüssten, ob beim Kunden trotz Abwesenheit ein durchgängiger Wasserverbrauch vorliegt, könnte man teure Wasserrohrbruch-Folgeschäden vermeiden. Wenn ein Sicherheitsdienst aufgrund der Daten von Fensterkontakt und Präsenzmelder ableiten kann, dass ein Fenster von außen geöffnet wird, kann er einen günstigen Einbruchs-Präventionsdienst anbieten.
Deshalb bilden sich derzeit cloudbasierte »IoT-Plattformen« (IoT – Internet of Things). Diese Plattformen bieten an, möglichst viele Daten des Bewohners zunächst aufzunehmen und zu speichern. Zu diesen Daten darf der Nutzer individuell entscheiden, welcher weitere Dienstleister diese Daten erhält. Dabei werden üblicherweise nicht die Rohdaten (d. h. tatsächlich der Fensterzustand) weitergegeben, sondern nur das Ergebnis einer Verarbeitung (z. B. »Fenster muss von außen geöffnet worden sein, da vorher keine Präsenz im Raum erkannt wurde«).
Man braucht nicht viel Phantasie, um zu erkennen, dass diese Daten auch ausgesprochen interessant für den kriminellen Missbrauch sind. Für Einbruchsbanden wäre es extrem hilfreich zu wissen, wann und wie lange Personen abwesend sind und ob zeitglich sogar ein Fenster offen oder zumindest gekippt ist. Diese Missbrauchsgefahr wirkt sicher bremsend, aber wird den erwähnten Trend nicht komplett verhindern. Dass Nutzer bereit sind, Daten über sich preiszugeben – obwohl man regelmäßig von Datenklau und -missbrauch liest – sieht man an den zunehmenden Nutzerzahlen von Facebook, Google, Amazon Echo (»Alexa«) & Co. Man kann nur hoffen und appellieren, dass die Betreiber der cloudbasierten IoT-Plattformen vertrauenswürdig sind und ausreichende IT-Schutzmaßnahmen ergreifen.
Cloudbasierte Anwendungen im privaten Bereich
Die dazu nötige Systemarchitektur: Im Gebäude benötigt man einen Controller oder womöglich auch nur ein Gateway. Über dieses Gerät können alle Sensoren und Aktoren im Gebäude (also Fensterkontakte, Präsenzmelder etc., aber auch Aktoren) mit der im Internet positionierten IoT-Plattform kommunizieren. Die Anbindung der Sensoren/Aktoren an Controller/Gateway erfolgt zunehmend über funkbasierte Systeme – alternativ ist auch eine kabelbasierte Anbindung denkbar.
Der Unterschied zwischen Controller und Gateway ist folgender:
Ein Controller kann auch eigene Regeln/Funktionen ausführen (d.h. »Licht an« bei Tastendruck) und ist die übliche Variante.
Ein Gateway hingegen vermittelt nur die Kommunikation zwischen Sensoren/Aktoren und IoT-Plattform.
In dieser Beziehung ist ein Controller auch dann noch »arbeitsfähig«, wenn die Internet-Verbindung unterbrochen ist – für ein reines Gateway ist diese hingegen eine essentielle Lebensader.
Es befindet sich im unteren Bereich bewusst ein Block für »Haushaltsgeräte«. Nehmen wir als Beispiel den Herd: Wenn ein Online-Shop wüsste, wie oft bei einem Kunden gekocht wird (bzw. auch was), könnte er viel gezielter Werbung für Rezeptbücher oder passende Lebensmittel/Gewürze etc. machen. Wer hier der Phantasie freien Lauf lässt, wird noch auf viele weitere »Geschäftsmodelle« kommen. Dabei ist das nicht auf das private Gebäude beschränkt. Auch die Nutzungsdaten von Kaffeemaschinen in der Cafeteria oder dem Drucker/Scanner/Kopierer im Büro können wertvolle Daten liefern.
Dass diese Darstellung keine Utopie, sondern ein sich abzeichnender Trend ist, zeigen z. B. Produkte wie der Smart-Home-Schutzbrief des Versicherers Ergo in Kooperation mit der Deutschen Telekom. Andere derzeit sich formierende IoT-Plattformen sind z. B. Conrad Connect, Google Cloud oder AWS (Amazon Web Services). Nicht jede Plattform wird sich allerdings langfristig durchsetzen können. So wurde z. B. die von ABB, Bosch und Cisco im Jahr 2016 gestartete IoT-Smart-Home-Plattform »mozaiq« (siehe »de« 17.2015) kürzlich wieder eingestellt.
Büros oder öffentliche Liegenschaften
Die bisherigen Beispiele bezogen sich auf den privaten Anwendungsbereich. Dabei entwickelt sich ein ähnliches Szenario auch im Umfeld der professionellen Gebäudeautomation, d.h. in Büros oder öffentlichen Gebäuden. Es zeigen sich zunächst die seit Jahren etablierte Systemarchitektur über drei Ebenen:
Die Feldebene für die Sensoren und Aktoren, die wiederum über analoge/binäre Kabel mit Controllern der Gebäudeautomation (GA) verbunden sind oder kommunikative Bus-Systeme wie KNX, LON, RS485, M-Bus, MP-Bus, SMI, Dali etc. bzw. funkbasierte Protokolle wie z. B. Enocean nutzen.
Die Ebene der Controller wird bereits als Automationsebene bezeichnet. Hier findet die eigentliche Signalverarbeitung über programmierte Ablauf- oder Verknüpfungssteuerungen statt.
Die oberste Ebene wird als Managementebene bezeichnet. Dort befindet sich die Gebäude-Leittechnik (GLT) – dies wiederum sind Softwareprodukte, die den Status der Controller überwachen bzw. visualisieren.
Wichtig im klassischen Verständnis war, dass die Controller eigenständig funktionsfähig sind – d. h. nicht auf die Betriebsbereitschaft der GLT angewiesen sind. Dies ändert sich zunehmend, da viele »Mehrwertdienste« vom BMS (Building Management System) ausgeführt werden. Deshalb ist hier der Begriff GLT bereits durch den Begriff BMS ersetzt.
BMS-Systeme sind deutlich vielseitiger, stellen Visualisierungen auch für den normalen Nutzer zur Verfügung und unterstützen umfangreiche Nutzer- und Gruppenverwaltungen. Auch können sie selber Daten auswerten, Entscheidungen treffen und Controller zur Ausführung von Aktionen anweisen. Auch unterstützen BMS-Systeme eine Vielzahl an IT-Protokollen, um Anbindungen zu Datenbanken, Warenwirtschaftssystemen, Raumbuchungssystemen etc. zu ermöglichen. Über ein BMS lassen sich einfacher Belegungsauswertungen von Büroflächen durchführen, Serviceintervalle für Fahrstühle, Toilettenreinigung oder Kaffeemaschinen optimieren, Indoor-Navigationsdienste anbieten (»find my workspace« und »find my friend«) oder übergreifende Lichtfarbenregelungen (HCL – Human Centric Lighting) umsetzen.
BMS-Systeme können über Softwareprodukte wie z. B. die Software »Niagara« der Fa. Tridium oder »Genesis64« der Fa. Iconics im eigenen Rechenzentrum aufgebaut werden. Allerdings formieren sich auch hier bereits cloudbasierte Plattformanbieter wie z. B. Microsoft mit der Plattform »Azure« oder erneut AWS von Amazon.
Dass dieser Trend ernst zu nehmen ist, zeigen die Entwicklungen von großen namhaften Unternehmen der Gebäudeautomation. Beispielhaft seien die »Wago-Cloud« oder das »Sauter Vision Center« genannt – beides übrigens Plattformen, die im Hintergrund auf der Azure-Plattform von Microsoft laufen. Im Vergleich zu den cloudbasierten Lösungen für das Smart-Home wird hier die Datensicherheit sehr hoch geschrieben. Das Geschäftsmodell zur Einführung von BMS-Systemen ist somit eine eigene Möglichkeit, die Gebäudenutzung besser zu verstehen und optimieren zu können.
Konsequenzen
Als konkreter Tipp gilt zunächst, sich dieser Entwicklung bewusst zu sein und entsprechende Marktentwicklungen und Produktangebote wahrzunehmen.
Womöglich macht es auch Sinn, bei zukünftigen Installationen zu berücksichtigen, dass eine spätere Anbindung an eine IoT-Plattform möglich sein muss (falls diese später benötigt wird). Entscheidend für eine Einbindung in eine IoT-Plattform wird sein, dass der Controller das entsprechende Protokoll spricht – sinnvoll wäre hier eine Unterstützung von MQTT (Message Queuing Telemetry Transport) und/oder Restful services (http, JSON etc.).
Wer eigene Erfahrungen mit der Anbindung von Controllern an eine cloudbasierte Plattform sammeln will, sei auf die in der Infobox angegebenen Webseite »Smart Building 2 go« verwiesen. Dort ist beschrieben, wie man pragmatisch eine Smart-Building-Pilotfläche umsetzt und an eine cloudbasierte Plattform anbinden kann. Solch ein konkreter, eigener Pilotaufbau ermöglicht wertvolle Erkenntnisse.
Infos zum Thema»Smart Building 2 go« (Beschreibung inkl. Anleitung für die prototypische Umsetzung einer cloudbasierten Smart-Building-Plattform): www.smartbuilding2go.igt-institut.de |
Quelle: de-Das Elektrohandwerk https://www.elektro.net/
Autor: Prof. Dr.-Ing. Michael Krödel, Hochschule Rosenheim