Weltweit erster elektromechanischer FI/LS-Schalter in 1 TE
Wie so oft, entscheidet auch bei einem FI/LS-Schalter oft das Detail – zum Beispiel darüber, ob eine solche Kombination überhaupt den europäischen Normen entspricht. Denn hierzulande sind mit guten Gründen nur Geräte erlaubt, die elektromechanisch funktionieren. Als erstem Anbieter überhaupt ist es Siemens nun gelungen, die volle elektromechanische Funktionalität in eine einzige Teilungseinheit (TE) zu packen.
Als Siemens zur Light+Building 2018 einen neuen FI/LS-Schalter in nur 1 Teilungseinheit (TE) Breite zeigte, war das Echo bei einigen Elektroprofis erst einmal verhalten: Gab es das nicht schon? Hatte man eine so schmale FI/LS-Kombination nicht anderswo auch schon gesehen? – Auf den ersten Blick vielleicht, denn in China oder in anderen außereuropäischen Ländern gibt es elektronische FI/LS-Schalter in nur 1 TE bereits. Doch unterscheiden sich diese in einem ganz wesentlichen technischen Detail von der Siemens-Neuentwicklung: Sie arbeiten rein elektronisch, während die europäischen Normen eine elektromechanische Funktionsweise verpflichtend vorschreiben. Und ein solches komplexes Schutzgerät benötigte bisher eben mehr Platz, nämlich herkömmlicherweise 2 TE.
Elektronisches und elektromechanisches Funktionsprinzip im Vergleich
Um den – tatsächlich enormen – Unterschied zwischen den beiden Funktionsprinzipien, elektronisch und elektromechanisch, richtig beurteilen zu können, lohnt sich zuallererst ein Blick in das Innere eines elektronischen FI/LS-Schalter: Dieser nutzt für die Aufbereitung des Fehlerstromsignals einen elektronischen Schaltkreis. Die Auslösespule wird über einen Leistungstransistor, einen so genannten Thyristor, angesteuert. Dieses Verfahren funktioniert zwar unter regulären Bedingungen, hat aber einen entscheidenden Nachteil: Der gesamte Auslöseprozess ist abhängig von der Netzspannung. Und das wiederum bedeutet: Wenn die Netzspannung unter einen gewissen Wert fällt, bietet der Schalter keinen Schutz mehr gegen Fehlerströme. Dasselbe gilt ebenfalls, wenn der Neutralleiter z. B. durch einen Leiterbruch unterbrochen wird.
Ein elektromechanischer FI/LS-Schalter, wie wir ihn in Deutschland und Europa kennen, arbeitet hingegen mit einem Haltemagneten: Tritt ein Fehlerstrom auf, beeinflusst dessen magnetischer Effekt die magnetische Haltekraft zwischen Klappanker und Joch. Übersteigt der Fehlerstrom den definierten Schwellenwert, wird der Stromkreis unterbrochen. Weil dieser Prozess ausschließlich elektromechanisch abläuft, ist keinerlei Signalverstärkung, -verarbeitung oder Hilfsspannung notwendig. Die Schutzfunktion ist unabhängig von der Netzspannung sichergestellt, also selbst bei Netzspannungseinbrüchen und auch bei einer Unterbrechung des Neutralleiters. Darüber hinaus ist die technische Hardware eines elektromechanischen FI/LS-Schalters deutlich robuster als elektronische Komponenten und gewährleistet damit eine hohe Immunität gegenüber elektromagnetischen Einflüssen und Überspannungen.
Normensituation
Die internationale Grundnorm (IEC 61009-1) behandelt beide Typen und beschreibt u. a. alle Anforderungen und Prüfungen. Die dazugehörige europäisch harmonisierte Norm ist die EN 61009-1, in Deutschland dementsprechend die DIN EN 61009-1 (VDE 0664-20) – Fehlerstrom-/Differenzstrom-Schutzschalter mit eingebautem Überstromschutz (RCBOs) für Hausinstallationen und für ähnliche Anwendungen.
Darüber hinaus wird international klassifiziert:
- IEC 61009-2-1 (netzspannungsunabhängige RCBO)
- IEC 61009-2-2 (netzspannungsabhängige RCB)
Während die erstgenannte IEC-Norm in Europa und auch in Deutschland bindend ist, trifft dies für die zweitgenannte jedoch nicht zu. Es gibt keine EN 61009-2-2 und erst recht keine DIN EN 61009-2-2!
Aus diesem Grund sind netzspannungsabhängige RCBOs in Deutschland nicht zugelassen. Diese Forderung ist auch den deutschen Errichter-Bestimmungen, insbesondere der DIN VDE 0100-530, zu entnehmen. Zugelassene RCBOs müssen einen elektromechanischen Auslöser haben, der auch ohne Versorgungsspannung bei Auftreten eines Fehlerstroms sicher funktioniert – wie es bereits von den „normalen“ RCDs bekannt ist.
Praxisbeispiel
Was der Unterschied zwischen elektronischem und elektromechanischem Funktionsprinzip in der Praxis bedeutet, zeigt ein einfaches Beispiel (bitte besser nicht nachmachen …): Die FI-Funktion hat die Aufgabe, vor gefährlichen Körperströmen bei direktem und indirektem Berühren von unter Spannung stehenden, leitfähigen Gegenständen zu schützen. Doch was passiert nun, wenn der Neutralleiter inaktiv ist? Löst der FI-Schalter der FI/LS-Kombination mit 30 mA bei Berührung trotzdem aus? – Kommt ein Mensch mit der Leitung in Kontakt, fließt auf jeden Fall je nach Oberflächenbeschaffenheit der Haut ein Körperstrom von etwa 230 mA gegen Erde. Ein elektronischer FI-Schalter würde diesen Körperstrom allerdings nicht detektieren, da die Elektronik durch den unterbrochenen Neutralleiter nicht mit Spannung versorgt wird und deshalb nicht arbeitet. Ganz anders beim elektromechanischen Schalter: Dort erregt der Körperstrom unabhängig von der Netzspannung die Spule und der Schalter löst korrekt aus.
FI/LS-Schalter 5SV1
Mit dem neuen FI/LS-Schalter 5SV1 hat Siemens nun erstmals die volle elektromechanische Funktionalität dieser Schutzgeräte in nur eine Teilungseinheit (TE) gepackt: Die Neuentwicklung gewährleistet also in 1 statt in 2 TE den in den europäischen Normen geforderten Fehlerstrom- und Überlastschutz für Stromstärken bis 16 A. Ganz wie die bisherigen FI/LS-Schalter, aber eben auf deutlich weniger Platz, schützen die kompakten Geräte Personen vor gefährlichen Stromschlägen und verhindern zugleich Überstromschäden an Leitungen sowie den Ausfall elektrischer Anlagen und Verbraucher in Gebäuden, Infrastruktur und Industrie. Dabei stehen mehrere Typen und Ausführungen zur Auswahl.
Weniger ist mehr
Durch seine schmale Bauform lässt sich der FI/LS-Schalter 5SV1 besonders platzsparend in den Schaltschrank integrieren. Damit können die neuen Schutzgeräte in einer TE sehr einfach auch in Bestandsgebäuden nachgerüstet werden, da sie in den vorhandenen Unterverteilungen keinen zusätzlichen Platz benötigen. Darüber hinaus lässt sich der neue Schalter auch mit einem Brandschutzschalter-Block 5SM6 in ebenfalls nur 1TE Breite verbinden: In dieser Kombination bieten die beiden Geräte die komplette AFDD/FI/LS-Funktionalität. So lässt sich in insgesamt nur 2 TE das Risiko elektrisch gezündeter Brände minimieren und damit zusätzlicher präventiver Brandschutz gewährleisten.
Um den Schutz in bestehenden Installationen zu erhöhen, kann beispielsweise ein einfacher Leitungsschutzschalter ohne weiteren Umbauten durch einen ebenso breiten FI/LS-Schalter 5SV1 ersetzt werden. Eine normgerechte Erweiterung von Steckdosenstromkreisen in bestehenden Elektroinstallationen ist mit dem FI/LS 5SV1 problemlos realisierbar. Zudem wurde für die beiden neuen innovativen Siemens-Kompaktgeräte, den FI/LS-Schalter 5SV1 und den Brandschutzschalter 5SV6, ein neues Verschienungskonzept entwickelt, das höchste Anforderungen an eine einfache Installation und Verdrahtung erfüllt.
Quelle: Siemens AG