Bild 1: Modernes Wohngebäude – Vertrauen ist gut, aber vorbeugender Blitz- und Überspannungsschutz ist besser

Ein Smart Home ermöglicht eine effiziente und bequeme Steuerung der Raumtemperatur, der Rollläden und Multimedia-Anwendungen mit einer Visualisierung am Tablet oder Smartphone. Diese Funktionen sind auf eine permanent verfügbare Technik und Kommunikation der Systeme angewiesen.

Wenn es draußen blitzt und donnert oder leitungsgebundene Überspannungen aufgrund von Schalthandlungen oder weit entfernten Blitzeinschlägen auftreten, kann das zum Ausfall und zu Schäden der Elektronik führen (Bild  1).

In der DIN VDE 0100-443 sind Maßnahmen zum Überspannungsschutz als Teil des vorbeugenden Brandschutzes – und damit zum Personenschutz – bereits seit 2016 für alle Gebäude und auch bei Wohnungen mit Einzelpersonen gefordert. Nach DIN VDE 0100-534 ist mindestens der Überspannungsschutz am Speisepunkt der elektrischen Anlage zu errichten und soll ein Isolationsversagen mit der Gefahr von Funkenbildung durch einen Kurzschluss verhindern. Der Speisepunkt kann der Zählerplatz oder die Hauptverteilung sein (Bild 2).

Wie hoch ist die Spannungsfestigkeit?

Bild 2: Kombiableiter am Speisepunkt der elektrischen Anlage

Die Spannungsfestigkeit der Betriebsmittel gibt den Wert der maximalen Spannung an, die für den Bruchteil einer Sekunde am Gerät anliegen kann, ohne dass es zur Zerstörung durch ein Isolationsversagen kommt. Wird die Isolationsfestigkeit überschritten, kommt es zu einem Kurzschluss und anschließendem Potentialausgleich durch einen transienten Stoßstrom. Da durch den Lichtbogen eine Brandgefahr entsteht, ist der Überspannungsschutz zum Personenschutz normativ gefordert. Die Auswahl und Installation des Überspannungsschutzes wird in der DIN VDE 0100-534 beschrieben. Haushaltsgeräte oder zum Beispiel eine Heizungssteuerung mit 230 V Nennspannung sind vom Hersteller in der Regel der Überspannungskategorie II zugeordnet und haben demnach eine Stoßspannungsfestigkeit von 2500 V. Für die feste Installation bis zur Steckdose wird eine Stoßspannungsfestigkeit von 4000 V nach Überspannungskategorie III angegeben. Die auftretenden Überspannungen können bei Schalthandlungen schnell mehrere 1000 V erreichen und die Isolationsfestigkeit überschreiten. Bei einem direkten Blitzeinschlag sind energiereiche Überspannungen von 100.000 V und mehr möglich.

Die Aufgabe der Überspannungsschutzeinrichtungen (normative Abkürzung: SPD = Surge Protective Device) ist es, eine Spannungsbegrenzung in der elektrischen Anlage unterhalb der geringsten Spannungsfestigkeit der elektrischen Betriebsmittel sicherzustellen. Der Überspannungsschutz reagiert, bevor etwas passiert. Hierzu sind Reaktionszeiten in Nano-Sekundenbereich notwendig.
Das Wohngebäude entwickelt sich im Zuge der Energiewende zum sogenannten Prosumer, eine Mischung aus Verbraucher (engl. consumer) und Erzeuger (engl. producer). Die Photovoltaikanlage bildet hierbei einen wichtigen Bestandteil zur Senkung der Energiekosten durch lokale Eigenerzeugung. Der Bedarf an elektrischer Energie im Wohngebäude steigt durch den Betrieb einer Wärmepumpe oder das Laden des Elektrofahrzeugs. Die elektrischen Systeme im sogenannten Prosumer-Gebäude, die oft durch lokale Energiespeicher unterstützt werden, benötigen eine vernetzte Steuerung, die die Erzeugung und den Verbrauch optimal koordiniert. Das Stromsystem wird somit komplexer und ein Ausfall führt schnell zu einem hohen Reparatur- und Kostenaufwand. Ein Schutzsystem gegen Überspannungen erhöht die Verfügbarkeit und schützt vor ungeplanten Kosten.

Was ist normative Pflicht und was wird empfohlen?

Bild 3: Wallbox im Smart Home mit PV-Anlage

Nach DIN VDE 0100-443 und DIN VDE 0100-534 wird der Überspannungsschutz am Speisepunkt für alle Gebäude bereits seit 2016 gefordert. Es ist mindestens eine SPD Typ 2 gegen leitungsgebundene Störungen zu errichten. Wird das Gebäude durch ein äußeres Blitzschutzsystem geschützt oder erfolgt die Niederspannungseinspeisung über eine Freileitung, dann muss eine blitzstromtragfähiger SPD vom Typ 1 oder ein sogenannter Kombiableiter vom Typ 1+2+3 eingesetzt werden. Bei Änderungen und Erweiterungen der elektrischen Anlage müssen diese Analgenteile immer nach der gültigen Norm ausgeführt werden. Der Überspannungsschutz wird somit auch in älteren Gebäuden mindestens für die neuen Stromkreise zur Pflicht. Der Eigentümer oder Betreiber sollte auf eventuell ungeschützte Anlagenteile hingewiesen werden. In der Regel lässt sich mit geringem Mehraufwand ein Schutzkonzept für das gesamte Gebäude erstellen und umsetzen.

Die DIN VDE 0100-534 favorisiert für das erste Überspannungsschutzgerät am Speisepunkt der Niederspannungsanlage die sogenannte 3+1-Schaltung. In TT-Systemen ist das ohnehin die einzig zulässige Schaltungsvariante, die vor einem FI-Schutzschalter (RCD) eingesetzt werden darf. Sie ist neben der sogenannten 4+0-Schaltung aber auch in TN-Systemen einsetzbar, wodurch Auslegungsfehler minimiert werden. Zudem bietet sie gegenüber der 4+0-Schaltung einen deutlich niedrigeren Schutzpegel zwischen Außen- und Neutralleiter, wodurch das Optimum eines EMV-gerechten Überspannungsschutzes für Haushaltsgeräte der Schutzklasse II (schutzisoliert) mit Eurostecker (Flachstecker mit L und N ohne PE-Kontakt) erreicht wird. Durch den Einbau der SPDs vor weiteren Schutzgeräten wie RCDs oder sogenannten Brandschutzschaltern (AFDD) werden diese vor fehlerhaften Auslösungen und Belastung durch die Stoßströme geschützt.

Hinter einem eingesetzten Überspannungsschutzgerät gibt die DIN VDE 0100-534 einen wirksamen Schutzbereich von 10 m Leitungslänge an. Für die Verfügbarkeitserhöhung schützenswerter Betriebsmittel, die weiter entfernt sind, sowie für die Daten- und Kommunikationsleitungen sind weitere SPDs in unmittelbarer Nähe dieser Geräte und Betriebsmittel empfohlen.

Das gilt sicher in besonderem Maß für das Homeoffice, wo die Energie- und Datenleitungen vom Zählerschrank bis zum Arbeitsplatz oft mehr als 10 m lang sind und gleichzeitig ein sehr hoher Anspruch an die Verfügbarkeit besteht. Ohne weitere SPDs vor den Endgeräten besteht die Gefahr, dass diese durch

auf dem Leitungsweg induzierte Überspannungen gestört oder zerstört werden. Daher sind weitere, nicht verpflichtend einzusetzende SPDs dem Auftraggeber dringend zu empfehlen. Die Aussage einiger Telefonnetzbetreiber, bei einer Gefahr von Blitz- und Überspannungen die Netz- und Datenstecker zu ziehen, stellt eine unpraktische und fachlich zweifelhafte Lösung dar – zumal die Geräte bei gezogenen Steckern nicht betriebsfähig sind.

Mit der Installation einer Ladeeinrichtung für das Elektroauto wird im Wohngebäude das teuerste Elektrogerät an die feste Installation angeschlossen. Um die Wallbox und das angeschlossene E-Fahrzeug gegen leitungsgebundene Überspannungen zu schützen, muss die Elektrofachkraft bei der Installation des Ladesystems das vorhandene Schutzkonzept prüfen. Und sie muss mindestens den Auftraggeber auf vorhandene Lücken, zum Beispiel durch lange ungeschützte Zuleitungen, hinweisen. Neben den normativen Anforderungen nach DIN VDE 0100-722 sollten auch die Anforderungen der Versicherungen geprüft werden. Für E-Fahrzeuge in geschlossenen Garagen der Wohnungswirtschaft beschreiben zum Beispiel die Sachversicherer in der VdS-Richtlinie 3885 seit 2020 einen Überspannungsschutz als Mindestforderung (Bild 3).

Schutzkreis für komplexe Anlagen

Bild 4: Schutzkreis um ein elektrisches System

Heizungsanlagen mit Witterungsfühler und Netzwerkanbindung oder vernetzte Ladesysteme mit Lastmanagement in einem Mehrfamilienhaus fordern einen lückenlosen Potentialausgleich. So lassen sich gefährliche Spannungsunterschiede vermeiden, die zu einem Ausfall führen könnten. Durch einen gedachten Schutzkreis (Bild 4) um die zu schützende Anlage lässt sich bereits während der Planung ein Überspannungsschutzkonzept erstellen. An allen Stellen, an denen Versorgungs- und Datenleitungen den gedachten Kreis schneiden, müssen SPDs installiert werden, um einen temporären Potentialausgleich herzustellen. Für die elektrische Anlage innerhalb des Schutzkreises werden gefährliche Potentialunterschiede vermieden und die Verfügbarkeit der Anlage erhöht. Die benötigten SPDs können anhand von Auswahlhilfen schnell für die jeweilige Schnittstelle des zu schützenden Geräts bestimmt werden.

Der Endkunde erwartet vom Elektroinstallateur einen Überspannungsschutz über die geforderte Installation am Speisepunkt hinaus. Um nach einem Ausfall oder Schaden eine Diskussion zu vermeiden, muss die Fachkraft den Kunden nach der sogenannten Hinweispflicht schriftlich auf die geforderten und ggf. technisch zusätzlich empfohlenen Überspannungsschutzmaßnahmen hinweisen. Wird der Kunde nicht informiert, kann der Elektroinstallateur für auftretende Schäden haftbar gemacht werden.

Fazit

Die verpflichtende Installation der SPDs am Speisepunkt reduziert die Brandgefahr und erhöht der Personenschutz. Für alle Gebäude muss mindestens ein Typ-2-Überspannungsschutz gegen leitungsgebundene Störungen eingebaut werden. Für Gebäude mit einem Blitzschutzsystem oder einer Freileitungseinspeisung gelten erhöhte Anforderungen nach Typ-1-Blitzstrom- oder Kombi-Ableitern.
Ein Überspannungsschutzkonzept mit Integration der kupfergebundenen Daten- und Kommunikationsleitungen vermeidet Schäden nachhaltig. Die Elektrofachkraft muss den Auftraggeber über diese Empfehlungen und vorhandene Lücken im Schutzkonzept informieren, damit im Schadensfall die Entscheidung und Umsetzung nachvollziehbar dokumentiert sind.

Autor

Dipl.-Ing. (FH) Torsten Hoffmann, Business Development Manager Überspannungsschutz, Phoenix Contact Deutschland GmbH, Blomberg

 

Quelle und Bildquelle: www.elektro.net